30.06.2005 - Gesundheit - Quicktime-Movie
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Freispruch für die Sonne:
In Maßen genossen erhöhen regelmäßige Sonnenbäder nicht
das Risiko für Krebs, sondern schützen sogar davor
Jeder Sonnenbrand ist ungesund und erhöht die Gefahr, an Hautkrebs zu erkranken.
Doch es gibt auch keinen Grund, die Sonnenstrahlen zu verdammen und sie wie der
Teufel das Weihwasser zu meiden, denn sie haben auch ihr Gutes: Täglich in
kleinen Mengen genossen schützen sie vor Krebs. Mehrere wissenschaftliche
Studien belegen dies für Brustkrebs, Darmkrebs, Prostatakrebs ebenso wie
für Eierstock- und Lymphknotentumoren. Dies veranlasst Forscher weltweit,
die Rolle des Sonnenbadens in ein neues Licht zu rücken, wie auf einer Konferenz
in Lübeck am vergangenen Wochenende deutlich wurde.Eigentlich ist die Sonne
der Nährquell des Lebens und doch hat sie keinen guten Ruf. Allenfalls mit
Schirm und Schutz soll sich die menschliche Haut ihr nähern, lauten die Empfehlungen
der vergangenen Jahre – gerade so, als wären ihre Strahlen ein feindlicher
Angriff auf die Gesundheit. So empfahlen Hautärzte jahrelang, am besten so
gut wie gar nicht in die Sonne zu gehen. Nur so könne man UV-bedingter Hautalterung,
Sonnenallergie und vor allem Hautkrebs entgehen.
Mittlerweile mehren sich jedoch die Zeichen aus der Forschung, dass die Sonne
in den vergangenen Jahren zu Unrecht in ein derart schlechtes Licht gerückt
wurde. Besonders aufsehenerregend: Die Sonne kann offenbar vor vielen Krebsarten
schützen, wenn man ihre Strahlen täglich für kurze Zeit auf die
Haut lässt.
Die ersten Hinweise über die schützende Wirkung der UV-Strahlung kamen
für die Forscher selbst überraschend. So räumt William Grant vom
Sunlight, Nutrition and Health Research Center in San Francisco bei einer Erhebung
der Brustkrebsfälle quer durch die amerikanischen Bundesstaaten ein: "Das
auffällige Nord-Süd-Gefälle kann nicht durch Unterschiede in der
Ernährung oder andere Faktoren begründet sein. Nur die UV-Strahlung
kann erklären, weshalb im Nordosten der USA fast doppelt so viele Frauen
an Brustkrebs leiden wie im Südwesten."
Wach gerüttelt durch das Ergebnis, verfolgte Grant den Zusammenhang weiter.
Auch in Europa, so berichtet er, häufen sich die Brustkrebsfälle mit
zunehmendem Breitengrad. Doch erst bei der Analyse anderer Krebsarten wird klar,
dass er nur die Spitze eines Eisberges entdeckt hat: Eierstock-, Prostata-, Lymphknoten-
und Dickdarmkrebs sind in den sonnenverwöhnten Gegenden ebenfalls seltener.
Setzt man die Sonnenexposition nicht mit dem Auftreten von Krebs, sondern mit
dem Risiko, daran zu sterben, in Beziehung, fällt das Bild noch weitaus deutlicher
aus: Bei 17 Krebsarten kann die während des Lebens getankte Sonnenstrahlung
helfen, diesen in Schach zu halten und länger am Leben zu bleiben. Scheinbar
paradox: Sogar das Melanom zählt dazu. Das ist jener Hautkrebs, der durch
Sonnenbrände gerade erst begünstigt wird. Die Todesrate bei Menschen,
die an diesem schwarzen Hautkrebs erkranken, ist geringer, wenn sie im Laufe ihres
Lebens regelmäßig Sonne genossen haben. "Rund 20.000 Amerikaner
müssten nicht vorzeitig sterben, wenn sie sich häufiger der Sonne aussetzen
würden", folgert Grant.
Der schützende Effekt der Sonne entfaltet sich über Vitamin D, das durch
die UV-B-Bestrahlung in den Hautzellen gebildet wird. Vitamin D ist jedoch kein
Vitamin im eigentlichen Sinn, sondern ein Hormon. In mehreren Laborversuchen wurde
nachgewiesen, dass es das Wachstum von Tumorzellen hemmt. "Das Hormon beugt
außerdem in zahlreichen Geweben der Krebsentstehung vor. Dafür sprechen
neuere Untersuchungsergebnisse", berichtet der leitende Oberarzt der Klinik
für Dermatologie, Venerologie und Allergologie des Universitätsklinikums
des Saarlandes, Jörg Reichrath.
Ein Vitamin-D-Mangel entstehe häufig im Herbst und Winter, erklärt Reichrath.
In dieser Jahreshälfte ist die UV-Strahlung in unseren Breiten relativ gering,
und die Haut wird der Sonne oft nur unzureichend ausgesetzt. Etwa die Hälfte
der Deutschen leidet deshalb an einem Mangel, schätzen Experten. Besonders
Ältere und Menschen mit dunklerer Haut sind gefährdet, denn bei ihnen
ist die Vitamin-D-Produktion der Haut naturgemäß gedrosselt. Auch Säuglinge
und Kleinkinder zeigen häufig ein Defizit.
Das Sonnenstudio ist jedoch keine Alternative, da dort hauptsächlich UV-A-Strahlung
verwendet wird – und die erzeugt kein Vitamin D. "Die Möglichkeit,
Vitamin D über die Nahrung aufzunehmen, ist sehr begrenzt: Neben Lebertran
ist Vitamin D nur in wenigen weiteren Nahrungsmitteln wie im Fleisch einiger Fischarten,
zum Beispiel Lachs und Makrele enthalten", bewertet Reichrath.
Hingegen werde für eine ausreichende Menge Vitamin D im Körper relativ
wenig Sonnenlicht benötigt. "Die Kunst besteht darin, das richtige Maß
zu finden", so Reichrath. Viele individuelle Faktoren wie Hauttyp, Tageszeit
und Wohnort spielen eine Rolle. "Man sollte auf jeden Fall den Sonnenbrand
vermeiden und lieber häufig und kurz als selten und lange in die Sonne gehen.
Intensives Sonnenbaden ist genauso ungesund wie gar keine Sonne", resümiert
Reichrath.
Wissenschaftler haben kürzlich die Dauer eines optimalen Sonnenbades errechnet:
Je nach Aufenthaltsort empfahlen sie jeden Tag einen 5- bis 15-minütigen
ungeschützten Aufenthalt in der Sonne. Doch einen Freispruch für das
stundenlange Aalen in praller Sonne mag kein Wissenschaftler geben - erst recht
nicht, wenn die blasse Haut sonst im Dunkel eines Büros eingesperrt ist.
ddp/wissenschaft.de – Susanne Donner